Digitalsierung von WM-Methoden und der Semantische Raum des Wissensmanagements

Fragen und Antworten (FAQ)

Was ist der Semantische Raum des Wissensmanagements und wozu dient er?

Im Laufe der Zeit sind viele Modelle für die Erklärung des Phänomens Wissen bzw. des Wissensmanagements entwickelt worden. Einige davon haben einen gewissen Durchdringungsgrad erreicht wie zB das Bausteinmodell von Probst et al., die Wissensspirale von Nonaka und Takeuchi oder das Lebenszyklusmodell von North. Sie alle sind Erklärungsmodelle mit mehr oder wenig hoher Komplexität ausgestattet und sollen dem Modell-Benutzer das Wesen von Wissen und Wissensmanagement verständlicher machen.

Der Semantische Raum des Wissensmanagements reduziert diese Komplexität auf ein Minimum, indem er nur jene Entitäten und Relationen umfasst, die bei der Beschäftigung mit Wissensmanagement eine zentrale Rolle spielen. Insofern ist der Semantische Raum des Wissensmanagements kein Erklärungsmodell sondern eine Orientierungshilfe vergleichbar mit einer Wanderkarte, in der die schönsten Aussichtspunkte (Entitäten) und die Wege zwischen ihnen (Relationen) eingezeichnet sind. Er dient dem Benutzer zum Feststellen des eigenen Standpunkts und der möglichen Wege, die von diesem Standpunkt ausgehen.

Der Semantischen Raum des Wissensmanagements spannt sich über die zehn Entitäten Wissensträger, Organisationen, Prozesse, Kompetenzen, Beziehungen, Relationen, Wissensgebiete, Kategorien, Wissensobjekte und Orte auf. Alle diese Entitäten befinden sich im Fokus von Wissensmanagementaktivitäten, die stets durch die Anwendung von Methoden unterstützt werden.

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Was bedeuten die einzelnen Entitäten im Semantischen Raum des Wissensmanagements?

Die Entitäten tragen im Kontext des Semantischen Raums folgende Bedeutungen:

Mit der Entität Wissensträger (Wt) sind alle Menschen gemeint, die im Laufe ihres Lebens Wissen und Erfahrungen gesammelt haben, die für andere wertvoll sein können. Im Kontext von Wissensmanagement ist es besonders wichtig, dass die Wissensträger bereit sind, ihren Wissens- und Erfahrungsschatz mit anderen zu teilen.

Die Entität Organisationen (Or) umschließt soziale Gefüge von Menschen, die gemeinsam ein bestimmtes Ziel verfolgen. Organisationen können Unternehmensteile, einzelne Unternehmen oder Unternehmensnetzwerke sein.

Die Entität Beziehungen (Bz) umfasst die sozialen Bindungen zwischen Wissensträgern.

Die Entität Prozesse (Pr) beinhaltet alle Abläufe in einem Unternehmen, die die Herstellung von Produkten oder die Erbringung einer Dienstleitung zum Ziel haben. Oft wird diese Entität auch als Geschäftsprozess bezeichnet.

Die Entität Kompetenzen (Ko) umspannt die Fähigkeiten, Fertigkeiten, das Wissen und die Erfahrungen eines Wissensträgers oder einer Organisation. Nicht damit gemeint ist die Zuständigkeit oder das Zuständigsein einer Person für die Erbringung einer bestimmten Leistung oder für die Lösung eines Problems.

Die Entität Relationen (Rl) repräsentiert die Zusammenhänge zwischen verschiedenen Entitäten und dient damit der Strukturierung von Wissensgebieten.

Die Entität Wissensgebiete (Wg) schließt alle Themen und Begriffe klar unter-scheidbarer Fachbereiche ein. Synonym für Wissensgebiete werden die Begriffe Wissensbereich oder Wissensdomäne verwendet.

Die Entität Kategorien (Ka) enthält alle Grundbegriffe eines Wissensgebiets. Diese Grundbegriffe können in ihrer Bedeutung klar voneinander abgegrenzt werden. Sie dienen in weiterer Folge der Beschlagwortung von Wissensobjekten.

Die Entität Wissensobjekte (Wo) inkludiert sowohl die physischen als auch die virtuellen Artefakte (Dokumente, Bilder, Pläne, etc.), in denen die Wissensträger ihr Wissen und ihre Erfahrungen manifestieren.

Die Entität Orte (Ot) umfasst sowohl physische Orte wie zB Gebäude oder Zimmer als auch virtuelle Orte wie Fileserver oder virtuelle Kommunikationsräume im Internet.

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Welche Relationen bzw. Wege befinden sich im Semantischen Raum des Wissensmanagements?

Dreh- und Angelpunkt jeder Wissensmanagementaktivität sind die Wissensträger, die damit im Zentrum bzw. am höchsten Punkt des Semantischen Raums zu finden sind. Wissensträger haben Kompetenzen, führen Prozesse aus und arbeiten in und für Organisationen. Organisationen besitzen ebenso wie Wissensträger Kompetenzen und betreiben Prozesse, um ihren Geschäftszweck zu erfüllen.

Da Beziehungen von besonderer Bedeutung für das Wissensmanagement sind, scheinen sie als eigene Entität im Semantischen Raum auf. Beziehungen können nicht nur zwischen Wissensträgern, sondern auch zwischen Wissensgebieten und Kategorien bestehen. Wissensgebiete umfassen Kategorien, die die Kernbegriffe des jeweiligen Wissensgebietes repräsentieren. Für das Wissensgebiet „Wissensmanagement“ können das zB die Kategorien „Wissen“ und „Lernen“ sein.

Wissensgebiete manifestieren sich in Wissensobjekten. In diesen beschreiben die Wissensträger ihr dokumentierbares Wissen. Die Kategorien nutzen sie als Schlüsselwörter für die Beschlagwortung der Wissensobjekte. Sowohl Wissensträger als auch Wissensobjekte befinden sich an physischen oder virtuellen Orten. Wissensträger sind zB in einem bestimmten Gebäude und Raum zu finden und haben sich mit Hilfe ihres Computers in ein virtuelles soziales Netz eingeklinkt. Wissensobjekte können als Bücher oder Zeitschriften u.ä. an einem bestimmten Ort zu finden sein oder als elektronische Artefakte auf einem Fileserver oder in einer Datenbank liegen.

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Welche Gruppen von Werkzeugkategorien gibt es für die Digitalisierung von WM-Methoden?

Für die Digitalsierung von WM-Methoden sind zwölf Werkzeugkategorien definiert. Die Kategorisierung schließt nicht alle Arten von Werkzeugen ein, sondern nur jene, die für die Digitalisierung von WM-Methoden zum Einsatz kommen können. Die Bezeichnung der Kategorien erfolgt mit Hilfe von Verben, die die gewünschten Funktionen der Werkzeuge charakterisieren. Die Werkzeuge werden zwölf Kategorien zugeordnet. Jeweils drei Kategorien sind zu einer Gruppe mit einem eindeutigen Funktionsfokus zusammengefasst. Der Fokus der Gruppe netzwerken-kommunizieren-zusammenarbeiten (Farbe Orange) liegt in der Kommunikation. Das Wesentliche bei der Gruppe teilen-veröffentlichen-verteilen sind die Artefakte, Beiträge oder Links, die online gestellt werden (Farbe Grün). Bei der Gruppe befragen-spielen-lernen geht es um Interaktion im jeweiligen Themengebiet (Farbe Violett). Die Gruppe suchen-visualisieren-kuratieren (Farbe Blau) umfasst das Finden, Ordnen und Darstellen von Informationen mit definierter Zielsetzung.

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Welche Funktionen müssen Werkzeuge in den jeweiligen Kategorien aufweisen?

Die Werkzeuge müssen die folgende Grundfunktionen anbieten:

Werkzeuge der Kategorie netzwerken (networking) unterstützen beim Knüpfen und Pflegen von Beziehungen im Netz.
z.B. Social Networking, Business Networking, Social Media

Werkzeuge der Kategorie kommunizieren (messaging) ermöglichen Personen, sich über Text-, Audio- und/oder Video-Nachrichten in Echtzeit oder auch asynchron auszutauschen.
z.B.
Synchrone: Instant Messaging, Telefonkonferenz, Chats, Videokonferenz, Webkonferenz
Asynchrone: E-Mail, Sprach-Mail, SMS, Mailing-Listen, Diskussionsforum

Werkzeuge der Kategorie zusammenarbeiten (collaborating) versetzen in die Lage, Inhalte synchron oder asynchron gemeinsam zu erarbeiten, darüber zu diskutieren, zu verändern und anzupassen entsprechend der Zielsetzungen.
z.B. Elektronische Gruppenkalender, Social Bookmarking, Social Tagging, Groupware, Teamräume, Diskussionsforum, Workflow Management System, Projektkooperationssystem

Werkzeuge der Kategorie teilen (sharing) machen es möglich, beliebige Artefakte (z.B. Dokumente, Präsentationen, Videos) anderen Personen innerhalb selbstgewählter Gruppen im Netz zugänglich zu machen und sich über deren Inhalte in Form von Kommentaren auszutauschen.
z.B. Ordner für geschlossene Gruppen, Teamräume

DWerkzeuge der Kategorie veröffentlichen (publishing) sind behilflich, Inhalte auf einfache Art und Weise selbst zu erstellen und online zu veröffentlichen.
z.B. Web-Notebooks, Blog, wiki

Werkzeuge der Kategorie verteilen (distributing) bieten die Möglichkeit, beliebige Artefakte (z.B. Dokumente, Präsentationen, Bilder, Musik, Videos) oder Verweise auf Artefakte öffentlich im Netz zur Verfügung zu stellen. Meist enthalten diese Werkzeuge auch einen ßGefälltß- Knopf und ein Eingabefeld für Kurzkommentare.
z.B. Öffentliche Ordner für Wissensobjekte, Streaming-Dienste (live, Musik, Video etc.), Audio/Video-Podcasting, Sharing-Plattformen (Foto, Video, Musik etc.)

Werkzeuge der Kategorie lernen (learning) bieten Unterstützung bei der Erstellung von Lerninhalten entsprechend pädagogisch-didaktischen Grundsätzen (Autorensysteme).
z.B. Autorenwerkzeuge für Online Lerncards, Online Quizz etc., Test-Tools, Learning Analytics Tools, Lern-Plattformen

Werkzeuge der Kategorie spielen (gaming) ermöglichen das Entwickeln und zur Verfügung stellen von Lernspielen.
z.B. Entwicklungswerkzeuge für Interaktive Rallye, Videoanimation, Rollenspiele etc., Lern-/Spiele-Plattformen

Werkzeuge der Kategorie befragen (survey) erlauben das Erstellen, Durchführen und Auswerten von Online-Befragungen.
z.B. Computer Assisted Telephone Interview, Online-Befragung, Multimedia-Befragung

Werkzeuge der Kategorie suchen (searching) unterstützen das Finden von benötigten Informationen in allen verfügbaren Datenquellen (z.B. Datenbanken, Internet, soziale Netze).
z.B. Suchmaschinen, Spezialsuchmaschinen, Metasuchmaschinen, Social Bookmarking, Social Tagging

Werkzeuge der Kategorie visualisieren (visualizing) ermöglichen die Analyse von Daten und Inhalten sowie die bildhafte Strukturierung und/oder Darstellung von Inhalten.
z.B. Data Mining, Data Analyzing, Tabellen, 2D/3D-Diagramme, Mapping, Prozess-Visualisierung, Infografik, Augmented Reality (AR), Virtual Reality (VR)

Werkzeuge der Kategorie kuratieren (curating) helfen beim Auswählen, Sortieren und Aufbereiten von Informationen.
z.B. Team Bookmarking, RSS Feeds, Abstract Dienste, Social Media Monitoring, Curation Services

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Welche Stufen der Digitalsierung für WM-Methoden gibt es?

Eine WM-Methode, die zum aktuellen Zeitpunkt gänzlich ohne Werkzeug- unterstützung eingesetzt wird, muss nicht zwingend sofort in vollem Um-fang digitalisiert werden. Der Digitalisierungsgrad kann stufenweise erhöht werden, um den Umstieg für alle Betroffenen zu erleichtern. Die Stufen werden wie folgt beschritten:

Stufe 0: Die Methode kommt völlig ohne Werkzeugunterstützung aus. Der Einsatz eines Textverarbeitungs- oder Tabellenkalkulationssystems wird dieser Stufe zugeordnet.

Stufe 1: Höchstens ein Prozessschritt der Methode wird mit Hilfe eines einfach anzuwendenden Werkzeugs ausgeführt. In der Anwendung einfach sind Werkzeuge in den Kategorien kommunizieren, suchen, netzwerken und verteilen. Das Benutzen von Werkzeugen in diesen Kategorien ist mehr oder weniger selbster- klärend und erfordert kein Training.

Stufe 2: Mehr als ein Prozessschritt der Methode wird Werkzeug-unterstützt ausgeführt. Die verwendeten Werkzeuge erfordern mehr Anwendungswissen als in der Stufe 1.
Hier finden sich Werkzeuge aus den Kategorien teilen, veröffent- lichen und visualisieren. Das Einrichten, die Texteingabe und die Benutzung dieser Werkzeuge erfordern einige Grundkenntnisse, die durch Erklärvideos oder kurze Trainings vermittelt werden können.

Stufe 3: Bei mehr als der Hälfte der Prozessschritte der Methode kommen Werkzeuge aus verschiedenen Kategorien zum Einsatz, deren Benutzung fundiertes Anwendungswissen erfordern.
Werkzeuge dieser Stufe befinden sich in den Kategorien befragen und zusammenarbeiten. Bei Werkzeugen in der Kategorie befragen sind Kenntnisse für das Erstellen qualitativ passender Fragebögen erforderlich. Werkzeuge der Kategorie zusammenarbeiten bieten eine Vielzahl von Funktionen für die virtuelle Zusammenarbeit in Gruppen an. Daher ist ein Training unumgänglich, um diese Werkzeuge produktiv bei allen Gruppenprozessen optimal einsetzen zu können.

Stufe 4: Alle Prozessschritte werden durch Werkzeuge unterstützt, d.h. die Methode ist im vollen Umfang digitalisiert. Es kommen auch Werkzeuge zum Einsatz, die Expertenwissen erfordern.
Hier sind Werkzeuge der Kategorien lernen, spielen und kuratieren zu finden. Die adäquate Benutzung von Werkzeugen aus den Kategorien lernen und spielen setzt fundierte Kenntnisse in der Soft- wareentwicklung voraus. Bei der Kategorie lernen kommen noch Kenntnisse aus der Mediendidaktik, bei der Kategorie spielen Spezialkenntnisse der Spieleprogrammierung hinzu. Werkzeuge der Kategorie kuratieren erfordern Kenntnisse der Informationswirtschaft und Grundkenntnisse im Journalismus.

Es gibt Methoden, die aus den unterschiedlichsten Gründen nicht vollständig digitalisiert werden können.

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Wie werden WM-Methoden digitalsiert?

Folgende Vorgehensweise kann genutzt werden, um die Möglichkeit des Einsatzes von IT-Werkzeugen im Rahmen einer WM-Methoden-Anwendung zu untersuchen und ggfs. vorzubereiten.

  1. Eine Beschreibung der Methode in Prozessschritten nutzen bzw. erarbeiten, wenn keine gefunden werden konnte.
  2. Jeden einzelnen Prozessschritt oder die Beschreibung als Ganzes untersuchen, ob der Einsatz eines IT-Werkzeugs möglich und sinnvoll wäre. Dazu können die Beschreibungen der Werkzeugkategorien herangezogen werden.
  3. Die Anwendung der ausgewählten Werkzeugkategorien in diesem Pro- zessschritt so konkret wie möglich beschreiben, um die Anforderungen an das Werkzeug daraus ableiten zu können, als gute Vorbereitung für die nachfolgende Umsetzung.
  4. Bei der Umsetzung in die Praxis müssen zunächst für den Anwendungs- fall passende Werkzeuge aus der entsprechenden Kategorie ausgewählt, angeschafft oder entwickelt und implementiert werden.
  5. Danach erfolgt der prototypische Einsatz des Werkzeugs im Rahmen der Anwendung der WM-Methode. Erfahrungen aus diesen ersten Anwen- dungen werden gesammelt und zur Perfektionierung der digitalisierten Methode verwendet. Erst wenn ein stabiler Einsatz gegeben ist, kann die Methodenanwendung auf die passenden Zielgruppen bzw. die gesamte Organisation ausgeweitet werden.

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Wissensmanagement wird digital

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Letzte Änderung:
06.01.2013, Version 1.0

 

© Angelika Mittelmann