Katzen in der Ruine (2)

1. April 2003

Am 24. März 2003 verstarb Flora in Spittal/Drau in Kärnten.


Sie hinterließ uns ihre etwa neunjährige Katze “Binki”.

Rahmen16

Binki hatte bei Flora ein feines Leben. Zwar gab es lange Zeit keine Katzentüren in dem alten Haus in der Badgasse, aber immer wenn Binki herein oder heraus wollte, bekam sie von Flora oder wer sonst gerade da war, das Fenster oder die Tür geöffnet. Hungrig war sie praktisch nie, denn sie bekam ständig etwas Frisches zum Fressen hingestellt. Draußen gab es Vögel, Mäuse und andere Leckerbissen, sogar ein Eichhörnchen und eine Schlange mussten mal dran glauben... Und dann war da noch der dicke fette Kater von nebenan, Peterle, den zu ärgern besonderen Spaß machte. Außer der Kater war so frech, sich zu wehren. Aber das kam nur selten vor.

Abends rief Flora Binki herein. Die Katze liebte es, diesen Ruf zu ignorieren, denn dann würde Flora nach ein paar Minuten noch einmal rufen. Und nach einer halben Stunde noch einmal...

Irgendwann ließ sie sich dann erweichen und ging durchs Fenster in die Küche, nur um dort einen gelangweilten Blick auf das Futter aus der frisch-geöffneten Dose zu werfen. Sich gleich auf das Fressen zu stürzen wäre eindeutig unter ihrer Würde gewesen...

Wenn Flora doch einmal eine Wut bekam, weil sich Binki allzu kapriziös aufgeführt hatte, dauerte das nur wenige Minuten. Dann war der Zorn verflogen und Binki streckte sich genüsslich auf Floras zum Fernsehen hochgelegten Beinen aus, den gemütlichen Abend zu zelebrieren und die Streicheleinheiten großzügig anzunehmen...

Am Tag nach der Beerdigung nahmen wir die Katze mit nach Linz. Mit unserer Königin der Katzen, der Tina, im Auto zum Tierarzt zu fahren, war eine Tortur für Tier und Mensch, denn sie jaulte, miaute und quietschte dann so, als ob sie im nächsten Moment eingehen würde. Außerdem ist es ja bekannt, dass Katzen Ortswechsel gar nicht lieben und es soll schon vorgekommen sein, dass nach einem Umzug eine Katze Hunderte von Kilometern gewandert ist, um zu ihrem alten Heim zurückzukommen. Daher machten wir uns um die Übersiedlung von Binki einige Gedanken. Wie könnten wir ihr die Reise erträglich machen, und was muss getan werden, um sie bei uns in der Ruine einzugewöhnen?

Eine Idee war, ihr vom Tierarzt eine Betäubungsspritze geben zu lassen, so dass sie von der Fahrt gar nichts mitkriegen würde. Eine andere Idee (von unserem Heiler) war, ihr die Sache mit bestimmten Bachblütentropfen zu erleichtern, mit den sogenannten Notfalltropfen. Der Tierarzt hielt von ersterer Idee gar nichts, von der zweiten eine ganze Menge. Also kauften wir in Kärnten diese Notfalltropfen und fragten uns dann, wie wir die Binki davon überzeugen sollten, diese Tropfen auch wirklich zu nehmen: Die Bachblütentropfen sind nämlich in Alkohol gelöst, und entgegen anderslautenden Gerüchten verabscheuen die meisten Tiere Alkohol aufs Tiefste.

Außerdem geruhte die edle Katze die schönen Frühlingstage im Freien zu feiern, und erst spät abends nach der Hereinrufprozedur ins Haus zu kommen. Wir konnten aber erst um 15 Uhr nach dem Notartermin heimfahren, und viel später wollten wir auch nicht los, also mussten wir Binki schon morgens im Haus einsperren. Dadurch war sie einerseits erst recht nervös und vorgewarnt, dass an diesem Tag etwas ungewöhnliches passieren sollte. Andererseits konnten wir ihr so die Notfalltropfen in den Zimmerbrunnen, aus dem sie zu trinken beliebte, und über ihr Futter verteilen, und sie hatte an dem Tag ja keine Chance, ihren Durst und Hunger auswärts zu stillen. Zu Mittag trank und fraß sie, vielleicht nur aus Langeweile, wenn sie schon nicht spazierengehen durfte, egal, jedenfalls hatte sie ihre Dosis intus. Eine Viertelstunde später war sie eingeschlafen. Tief und fest, auf dem Fensterbrett, wo sie sonst oft den Vögeln und Passanten zuschaute, aber kaum je schlief. (Soviel zur Wirksamkeit von Bachblüten-Notfalltropfen.)

Als wir vom Notar zurückkamen, wurde Binki gerade munter. Nein, munter ist doch ziemlich übertrieben, sie schaute so langsam her, dass es ziemlich leicht war, sie in den Katzentransportkorb zu setzen. Türchen zu, verriegeln, und ab ins Auto. Das Gepäck hatten wir gleichzeitig schon eingeladen, im Haus die Fenster geschlossen, die Heizungen abgedreht und was man sonst so macht, wenn man ein Haus alleine lässt, ein eigenartiges Gefühl.

Dieses Haus ohne Loise und ohne Flora, das ist nicht mehr dasselbe Haus. Natürlich war Flora vorher schon einige Zeit im Krankenhaus gewesen, auch früher war das vorgekommen, aber das war dann doch anders, denn man spürte ja, sie war nur vorübergehend nicht da. Nun aber, das Endgültige, ...

Aber keine Zeit zum Grübeln, die edelste aller Katzen wartete schon im Auto, der Korb war auf dem mittleren Sitz der mittleren Sitzreihe festgeschnallt, rechts daneben Ilse, links Tobias. Ich startete den Motor und erwartete, wie von Tina gewohnt, jämmerliches Geheule. Nichts dergleichen. Ich fuhr aus der engen Gasse, dann die Straße hinauf, durch die Kleinstadt. Tobias meldete die Neuigkeiten: “Sie schaut ganz interessiert! - Sie hat gar keine Angst.” Zuerst saß sie gegen die Fahrtrichtung, dann drehte Ilse den Korb um, so dass sie vorne herausschauen konnte. Dann ging es auf die Autobahn, und Marlene, unsere elektronische Navigatorin, meldete mit ihrer sexy Stimme, dass wir knapp drei Stunden zu fahren hätten.

Na, das schien ja unerwartet gut zu gehen! Bei den großen Tunnels hörte das Interesse für die neuartige Aussicht aber auf, und machte relativ verhalten vorgetragenem Missbehagen Platz. (Daniela erzählte mir nachher, dass ihr Hund Bauxi, der weltberühmte mutige Hund, der die Polizeihundprüfung geschafft (dabei ist er nur ein Zwergpudel, aber mutiger als die großen Schäferhunde!) und alle möglichen Agility-Meisterschaften gewonnen hat, sich auch in den Tunnels fürchtet.) Allerdings hielten sich diese Proteste in erträglichen Grenzen und es gab auch wieder lange Pausen, in denen sie wohl eingeschlummert war. Ilse bemerkte, dass sich Binki an einer defekten Stelle des Katzenkorbes die Nase blutig geschlagen hatte, was sicher auch nicht zu ihrem Wohlbefinden beitrug, momentan aber nicht zu ändern oder verbessern war.

Dann, wenn Binki leise eingedöst war, gingen unsere Gedanken zurück, zu Flora und den schönen Zeiten, die wir mit ihr verbracht hatten. Aber auch immer wieder nach vorne: Denn auch in Linz erwarteten uns spannende Neuigkeiten. Die “Kinder” (Dani und Thomas) hatten uns ja per SMS und Handy auf dem Laufenden gehalten. Am Donnerstag, also gestern, dem Tag der Beerdigung, hatte Cora, unsere jüngste Katze, morgens um halb zwei nach etwa zwei Stunden Wehen ein Junges geboren. Ihr erster Wurf. Und die Kinder hatten auch gleich ein paar Fotos von dem Kleinen und seiner Mama gemacht und ins Internet gestellt. So konnten wir dank moderner Technik schon am selben Tag die Bilder in Kärnten bewundern, und uns auf das Kleine freuen.

Witzigerweise gebar Cora dann ein zweites kleines Katzenbaby, aber in der nächsten Nacht, 22 Stunden nach dem ersten. Da war nur Dani dabei, denn Thomas war Donnerstag und Freitag in Wien auf Roboterausbildung. Per Handy hatten wir geplant, wo welche Katze hinsollte, um sowohl der edlen Binki als auch der jungen Katzenmama zuviel Stress zu ersparen. Da Cora für die Geburt das Erdgeschoss ausgesucht hatte, war es naheliegend, Binki im oberen Teil der Ruine unterzubringen.

Nun war das Problem, dass man eine umgesiedelte Katze eine ganze Zeit einsperren muss, damit sie sich an die neue Umgebung gewöhnt, diese akzeptiert, und sie schließlich den Plan, heimzulaufen, aufgibt. Wie lange das Ausgangsverbot gelten muss, darüber gibt es verschiedene Ansichten. Manche meinen vier Wochen sei das Minimum, andere finden zwei Wochen müssten reichen. Wie aber soll man eine Katze einsperren, und gleichzeitig den anderen beiden Katzen den Ein- und Ausgang ermöglichen?

Unser Haus hat an den meisten inneren und allen äußeren Türen Katzentürchen, so dass die Katzen normalerweise ungehindert ein und aus gehen können. Die äußere Katzentüre am Wintergarten, also der Haupteingang für die Katzen, kann auf drei Arten abgesperrt werden: Nicht hinaus, nicht hinein, und weder hinaus noch hinein. Allerdings können sowohl Tina als auch Cuja doch hinaus, auch wenn das Hinausgehen eigentlich gesperrt ist: mit viel Geduld schaffen sie es dann irgendwann, den Riegel zu verdrehen.

Als wir schließlich in Linz ankamen, war das erste nach dem Parken des Autos, den Katzenkorb in den zweiten Stock der Ruine hinaufzutragen. Dann die mitgebrachte Wäsche von Flora, die für feine Katzennasen sicher noch nach ihr duftete, auf dem Boden ausbreiten, und langsam das Türchen des Korbes öffnen... Langsam auch betritt Binki den neuen Boden. Schnüffelt nach allen Seiten. Lässt sich kurz streicheln. Verzieht sich dann in die dunkle Ecke. Das ebenfalls aus Kärnten mitgebrachte Katzenklo braucht sie jetzt nicht: sie hat wohl doch auf der Fahrt in das Tuch gemacht. Ich bleibe bei Binki, Angelika geht vorsichtig, wie Thomas mir noch am Handy eingeschärft hatte: nur einzeln in die Kinderstube, um Stress zu vermeiden, die Babies anschauen. Süß sind sie, no na net, Katzenbabies sind sicher immer süß.

Wenn wir die inneren Wintergartentüren schließen, können die Katzen nur durch die mittlere Doppelkatzentüre vom ersten Stock in den Wintergarten gelangen, und diesen Weg hassen sie. Denn wenn sie die erste Türe passieren, stecken sie in einem engen, dunklen, vierzig Zentimeter langen Tunnel, bis sie dann die zweite Katzentür erreichen. Deshalb ließen wir die hintere Wintergartentüre angelehnt, für unsere beiden, Tina und Cuja, kein Problem, aber für die bei uns neue Binki (hoffentlich) nicht zu finden. Zweite Sicherheit dann die auf nicht-hinaus gestellte äußere Katzentür.

Natürlich musste die immer neugierige Cuja gleich in den zweiten Stock hinauf und nachsehen, was da wohl los war. Ein unmissverständliches Fauchen und Knurren ließ sie aber schon nach Sekunden die Treppe mehr hinunterfliegen als gehen. Wenigstens für 24 Stunden ließ sich Cuja das eine Lehre sein.

Am späteren Abend, auch ich hatte mittlerweile die allerliebsten Babies im Erdgeschoss in Thomas' Zimmer bewundert, legte sich Binki auf dem hellen Sofa im zweiten Stock hin und es schien ihr da sogar zu gefallen. Aber dann setzte sich Angelika gegenüber auf die große Couch. Und Tina kam von unten und sprang Angelika auf den Schoß, wie üblich, und räkelte sich da, putzte sich, endlich waren die geliebten Menschen wieder da.

Aber nicht nur die Menschen. Zweieinhalb Meter weiter knurrte etwas. Fauchte auch ab und zu. Zuerst ignorierte Tina diese unziemlichen Geräusche, schließlich war sie hier die Königen. Dann richtete sie sich auf Angelikas Beinen auf und schaute doch mal, was das sein sollte. Schreck! Eine Katze. Eine große Katze, eine sehr schöne, aristokratische Katze. Eine Katze mit noch längeren Haaren als ich! - Tina saß erstarrt. Binki knurrte lauter.

Ich setzte mich neben Binki. Witzige Situation: Angelika und Tina auf der einen Couch, Binki und ich auf der anderen, genau vis-a-vis.

Schließlich stand Angelika auf und setzte sich an ihren Computer. Tina setzte sich auf meinen Computertisch. Da ging ich auch an meinen Computertisch und schaltete meine Maschine ein. Zeit, emails abzurufen, wir waren ja einige Tage verreist gewesen. Von hinten, fünf oder sechs Meter entfernt, kam noch immer ein Knurren. Tina lag auf meinem Tisch und starrte noch immer die fremde Schöne an. Ich stellte ihr eine Schachtel vor die Nase, um ihr die Sicht zu nehmen. Das Knurren verstummte. Tina drehte sich fast unmerklich ein paar Zentimeter weiter, kaum hatte sie wieder Blickkontakt, kam wieder das Knurren von hinten. Ich verrückte die Schachtel. So ging das einige Male, dann hatte Tina genug, beschloss die andere mit königlicher Nichtbeachtung zu strafen und schlief ein. Was beweist, dass die neue Situation nicht wirklich ein Problem für sie war.

Als wir ins Bett gingen, entdeckte Binki den “dritten Stock”. Den hatte sich damals Thomas gebaut, als wir in die Ruine eingezogen waren, da gibt es ein Bett, ein kleines Regal, eine Lampe und eine Glocke. Binki verbrachte die Nacht auf diesem Bett.

Wir schliefen diesen Freitag oben auf der ausgezogenen Couch, nicht nur wegen Binki, sondern auch wie schon seit Monaten jedes Wochenende. Am Samstag Morgen ging mein erster Blick hinauf zur Ballustrade vom dritten Stock. Kein Katzengesicht zu sehen. Ich ging zurück um weiter hinaufsehen zu können. Nichts. Ich setzte meine Brille auf, keine Katze zu sehen. Ich ging hinunter, denn eigentlich wollte ich ja noch nicht aufstehen, nur aufs Klo gehen. Noch ein Schreck: die von uns angelehnte Wintergartentüre stand weit offen. Die äußere Katzentüre war aufgeriegelt.

War nun alles umsonst? War Binki schon auf der Autobahn Richtung Kärnten unterwegs oder schon längst überfahren? Mir wurde heiß und kalt zugleich. Ich rannte die Holzstiege hinauf. Wollte Angelika aufwecken und alles erzählen. Doch da – eine Bewegung auf der Geheimtreppe. Oh. Diese wunderschöne graue Edle. Und was sie mir für einen Schrecken eingejagt hat! Den Rest des Tages blieb sie oben im dritten Stock. Fraß nichts, trank aber von dem Wasser, das ich ihr im großen Eimer hinaufgestellt hatte. Denn wir haben schon lange die Erfahrung gemacht, dass die Katzen Wasser am liebsten aus einem großen Eimer trinken, höchstens das Wasser aus dem Biotop im Garten schmeckt ihnen noch besser (jetzt ist der Teich ja wieder aufgetaut).

Cora gewöhnte sich schnell an unsere Besuche in ihrer Kinderstube. Bald nutzte sie diese Besuchszeiten sogar, um selber ein paar Minuten auszugehen. Offensichtlich glaubte sie ihre Kleinen von uns gut behütet und machte sich dann keine Sorgen. Das größere Erstgeborene scheint ein Junge zu sein, nach längerer Diskussion haben wir uns auf den Namen “Keith” geeinigt, nach dem schottischen Whisky Glen Keith. Das kleinere Zweitgeborene ist laut Ilse ein Mädchen, auf Vorschlag von Dani soll sie “Mango” heißen, nach einer Figur aus dem Musical Cats. Aber Mango passt ja auch gut zu Maracuja, wie unsere Cuja eigentlich heißt. Diesen Namen hat unser Familienfreund und langjähriger Mieter Arif ihr gegeben, als sie noch seine Katze war, besser gesagt als sie noch bei ihm wohnte. „Besitzen“ kann man eine Katze nicht.

(Ach ja, auch Ehefrauen kann man nicht besitzen, schon gewusst?)

Am frühen Abend, als Angelika kochte, kam Binki auf die Holzstiege herunter und schaute Angelika beim Kochen, Cuja beim Ofensitzen, Tina beim Fressen zu. Das schien ja schon ganz idyllisch zu werden. Kein Gefauche, kein Knurren. Irgendwann aber schreckte sie sich und war bald wieder ganz oben unter dem Dach verschwunden.

Am späten Samstag Abend kam Binki vom dritten wieder in den zweiten Stock herunter. Sie ließ sich sogar streicheln und ich spielte mit dem Laser mit ihr, das lieben alle Katzen: Dem dahinhuschenden roten Punkt nachjagen. Auch früher in Kärnten habe ich das oft mit Binki gemacht, sie kennt das schon. Zehn Minuten hatte sie Spaß daran, dann plötzlich rannte sie auf die unterste Stufe der “Geheimstiege” zum dritten Stock. Denn Tina war heraufgekommen und wollte auch Laser spielen. Eine Zeit lang ließ ich den roten Punkt abwechselnd vor Tina und vor Binki herumtanzen, aber sie konnten sich nur selten zu einem Prankenhieb aufraffen, von nachlaufen konnte keine Rede sein. Zu groß war die Anspannung, weil sich die beiden Aristocats gegenüber standen, wenn auch mit acht Meter Abstand.

Am Sonntag wieder ein banger Blick hinauf: Wo ist Binki? Nicht leicht zu entdecken, aber sie war oben. Also alles gut. Ich stand auf und machte mich fertig, in die Kirche zu radeln. Die Sonne schien. Tina wollte hinaus. Ich öffnete ihr die vordere Wintergartentüre und auch gleich die äußere Türe, schnell war sie draußen. Dann schloss ich die Türen und dachte: Nanu, was ist das denn nun, will da noch eine raus, Tina ist doch schon weg, noch eine langhaarige, das kann doch nur Binki sein! Tatsächlich saß Binki beim blauen Vorhang in der blauen Ecke, bei der nur angelehnten hinteren Wintergartentür. Verflixt, da heißt es aufpassen! Ich schloss die Tür sicherheitshalber und schraubte den Riegel von der Katzentüre fester, so dass er nicht so leicht zu drehen war. Binki schoss wie ein Blitz wieder hinauf in die oberen Gemächer.

Den restlichen Tag blieb sie wieder oben. Am Abend schaute sie nochmal auf der Holzstiege nach uns oder den anderen Katzen, aber nur kurz. Dafür hatte sie zum ersten Mal eine richtige Portion gefressen. Eine Katze, die trinkt und frisst, wird wohl nicht vor Kummer eingehen? Hoffen wir jedenfalls. Ich ging früher zu Bett. Als Angelika dann später ins Bett nachkam, konnte sie zuerst nicht einschlafen. Zum Glück, denn dann hörte sie ein lautes Kratzen. Sie ging hinunter und erwischte die gute Binki im Wintergarten dabei, heftig auf der äußeren Katzentüre herumzuscharren und zu kratzen. Sicher hätte sie die Katzentüre mit der Zeit aufgebracht, und dann... das wollen wir uns nicht noch einmal ausmalen...

Angelika schloss wieder die Wintergartentüren und die Riegel. Binki verschwand nach oben.

Am Montag musste Angelika natürlich wieder arbeiten. Ich passte auf die Katzen auf. Brachte Binki Leckerbissen in den dritten Stock. Sie hatte aber wohl keinen Hunger oder zumindest keinen Appetit.

Heute, am Dienstag, verlief alles ähnlich, mit einem kurzen Besuch unten im ersten Stock und mit wenig Hunger. Nur als ich ihr ein Schälchen mit frisch geöffneten Brekkies brachte, zeigte sie Interesse und fraß ein paar Brocken, dann war es wieder vorbei.

2. April 2003

Am Abend schraubte ich die äußere Katzentüre fest zu. Sicherheitshalber...

Die Damen im ersten Stock hatten es dann heute morgen entsprechend eilig, hinausgelassen zu werden. Erstaunlicherweise benutzen beide den „Tunnel“, die mittleren Katzentürchen, Cuja scheint das sogar gerne zu machen, Tina nur angewidert, wenn halt sonst gar nichts geht...

Rahmen4

Binki hat heute morgen wieder fast nichts gefressen, sonst aber einen guten Morgen und Vormittag gehabt: Auf dem hellen Sofa im zweiten Stock geschlafen, war sie dann richtig munter und spazierte interessiert im ganzen Stockwerk herum, beschnüffelte alles, und schmierte mir um die Beine. Ich nutzte die Gelegenheit, ein paar Fotos von ihr zu machen: 30 mal geknipst ergab 8 passable und zwei gute Aufnahmen. Nicht ganz einfach dieses Model.

Rahmen5

Am Nachmittag kam Tina herauf, denn ich schrieb am Mac und da liebt sie es mir zu helfen, indem sie sich entweder so auf das Mauskabel legt, dass die Maus wirksam gefesselt ist und ich nicht weiterarbeiten kann, oder sie legt sich gleich auf die Tastatur, mal sehen was heute für ein Text herauskommt.

Aber Binki war ja auch da, und verkündete das durch lautstarkes Fauchen vom hellen Sofa aus. Tina traute sich nicht von dem Treppenende zu mir herüberzukommen, bis ich aufstand und sie rief. Binki war das gar nicht recht und ihre gute Laune war verflogen. Tina hielt es mit dem finsteren Blick von Binki im Rücken nur wenige Minuten bei mir aus, worüber ich nicht wirklich unglücklich war, und verzog sich wieder nach unten durch den Tunnel in den Wintergarten. So bekam ich meine lästige Schreibarbeit (Sitzungsprotokolle) relativ schnell fertig.

Das ist nun zwei Stunden her, und ich sitze am kleinen Computertisch vorm X5 um diesen Bericht zu schreiben, und spüre nun selber den wirklich finsteren Blick Binkis im Genick. Ungemütlich, na ja, fast, wenn sie nicht so schön wäre in ihrer Wut.

Nun habe ich auch versucht, ihr finsteres Gesicht zu fotografieren, mal sehen ob das gelungen ist.

Rahmen6

Am Nachmittag hat sich der Sprühregen in einen ordentlichen Landregen ausgewachsen. Die drei Katzendamen nutzen das schlechtfeuchte Wetter für ein ausgiebiges Nickerchen, nur Binki fühlt sich verpflichtet bei jedem Geräusch kurz und grimmig aufzuschauen.

3. April 2003

Rahmen7

Am Abend fraß Binki etwas Trockenfutter: Idee und Experiment von Angelika. Ihr eigenes Trockenfutter, das wir aus Kärnten mitgebracht hatten, war wahrscheinlich schon uralt. Angelika meinte, unseres würde sie vielleicht mögen, und so war es auch. Wär ja schön wenn sie sich ganz daran gewöhnen würde. - Die Nacht verlief ruhig, heute morgen zum dritten Mal ein „großes Geschäft“ im Katzenklo. Und wieder ein paar Brocken gefressen. Damit sie das Trockenfutter verträgt, ist es nötig Wasser zu trinken. Ich stellte ihr ein Schälchen vor die Nase, damit sie nicht von ihrem bequemen Sofa aufstehen brauchte. Und sie trank tatsächlich davon. Langsam scheint ein wenig Normalität einzukehren.

Cuja hat sich gestern abend nach unten ins Erdgeschoss verzogen und die Nacht in unserem Bett im Schlafzimmer verbracht. Kein schlechter Platz, denn im Flur gibt es immer frisches Dosenfutter (welches für Cora bestimmt ist) und auch ein Katzenklo (welches für ihre Babies gedacht ist) und viel Ruhe. Erst zu Mittag scharrte sie an der Wintergartentüre um dem ersten Stock einen Besuch abzustatten.

Wie normal wird es werden? Wie normal wird Binki werden? Wie normal sind überhaupt unsere Katzen? Was ist normal?

Gar nicht leicht. Binki muss sich ihre neue Norm erst machen...

Bei Flora wurde sie sehr verwöhnt, in vieler Beziehung. In anderer Hinsicht wiederum wurde sie auch streng erzogen. Auf den Esstisch hüpfen, oder gar dort ein Nickerchen zu halten, das war in Kärnten jedenfalls nicht drin! Bei uns darf das nur die Tina, weil sie ja die Königin ist, und auch nur, wenn wir nicht gerade essen. Aber was sie sich nicht nehmen lässt, bei den Mahlzeiten, wenn es verlockend duftet, erst recht wenn es Fisch gibt, auf meinem Schoß zu hüpfen und sich dann etwas von meinem Essen zu erbetteln/erkämpfen. Feine Leckerbissen, Zugeständnisse an ihre Sonderstellung, lege ich ihr dann neben meinen Teller, damit sie wenigstens nicht direkt von meinem Teller runterfrisst... Solches geschieht natürlich nur, wenn kein Besuch da ist.

Cuja und Cora setzen sich auf freie Stühle neben uns oder bleiben gleich auf dem Boden, kriegen aber auch ihren Teil ab. So sind die gemeinsamen Abendessen bei uns oft auch gleichzeitig eine Fütterstunde für die lieben Viecher.

Das erlebt Binki zur Zeit höchstens akustisch mit, aus dem zweiten oder dritten Stock, nur den einen Abend hatte sie ja von der Holzstiege aus zugesehen.

Wie lange sie das aushält, wegen ihrer Rivalität zu Tina auf die lukullischen Genüsse zu verzichten? Die guten Düfte steigen doch nach oben, müssen sehr verführerisch sein, besonders für so feine Nasen. Ich hielte das nicht einen einzigen Abend aus. Nicht aus diesen Gründen: Eifersucht, Streit, Stolz. Aber ich bin ja auch weder eine Dame noch eine Katze.

6. April 2003

Diese Tage schliefen Angelika und ich ja oben im zweiten Stock, die letzten Nächte wurden wir mehrmals von einem lauten Kratzen, Scharren, Rumpeln geweckt: Denn in den Nachtstunden wurde Binki aktiv und sprang an die Holzeinfassung eines Dachfensters, welches wir des Nachts eine Handbreit geöffnet haben zur Lüftung. Vielleicht wollte sie nur die Alturfahrer Nachtluft schnuppern, vermutlich aber wollte sie nach draußen gelangen, aufs Dach. Da habe ich den Sturmriegel vorgeschoben, so dass sie sich das Fenster nicht selber mit Gewalt öffnen kann. Trotzdem schreckt man jedesmal auf bei dem nächtlichen Krawall.

Eigentlich ja schön wenn sie so langsam anfängt ihre Umgebung zu erkunden. Nur etwas leiser dürfte sie schon sein... ab morgen werden wir wieder unten schlafen.

Vorgestern habe ich, wie einmal in der Woche üblich, Fisch „gekocht“, meist brate ich Forellen, denn in unserem Supermarkt gibt es gute frische Forellen vergleichsweise sehr günstig. Eigentlich mag ich Meeresfische noch viel lieber, aber da schreckt mich immer der Preis. Meist nehme ich dann doch vier Forellen, für jeden von uns eine. Manchmal tausche ich auch ein oder zwei Forellen gegen Bachsaiblinge ein. Diesmal nahm ich drei große Forellen (d.h. jede zw. 270 und 300 Gramm) und eine Lachsforelle von mehr als einem Kilogramm.

Beim Essen nahm ich mir die riesige Lachsforelle, und richtete davon einige Portionen für Tina, Cuja und Cora her, und eine besonders große Schale für Binki, und brachte sie ihr hinauf in den zweiten Stock, noch bevor ich selber zum Essen begann. Binki vergaß ganz auf ihre aristokratisch-blasierte erst-mal-ignorieren-Unart und machte sich sofort schnurrend darüber her, miaute sogar eine Art „Danke-schön“. Ich ging wieder runter und aß selber ein paar Brocken, Tina natürlich auf meinem Schoß, nicht ohne den anderen Katzen noch einiges abzugeben. Dann richtete ich eine zweite Schale für Binki her. Diese fraß sie nur mehr halb auf, Thomas gab den Rest einer der anderen Katzen. Schließlich machte ich eine dritte Schale für Binki voll, ehrlich gesagt war ich selber mittlerweile auch richtig satt, es war doch ein Riesenfisch. Diese Schale gaben wir der Binki erst spät in der Nacht, als wir ins Bett gingen, und Binki leerte sie in der Nacht komplett, aber nicht auf einmal, denn am liebsten frisst sie mehrmals in kleinen Portionen, was ja gesund sein soll, aber ich kann das nicht, ich fresse lieber selten und dafür viel. Tante Loise sagte immer: „(fr)essen bis der Bauch weh tut und dann mit Geduld leiden“. Genau so.

Heute wurden die Katzenbabies im Erdgeschoss zehn Tage alt, und ganz planmäßig, wie von unseren Kennerinnen Ilse und Angelika vorhergesagt, machten beide heute die Augen auf. (Kleine Schlitze waren gestern schon zu sehen.) Jetzt sind sie schon doppelt so groß wie bei der Geburt und sehen extrem putzig aus mit ihren winzigen blauen Äuglein (alle Katzenbabies haben nämlich blaue Augen). Sie krabbeln auch zeitweise recht aktiv herum, dann gibt es aber immer lange Schlaf- und Wachstumszeiten, und dann wieder wird bei der Mama Cora getrunken. Cora wird auch mehr verwöhnt als sonst, damit sie genug Milch hat für die Kleinen.

Dazu kommt Cora auch manchmal zu uns herauf, ihre Kleinen kann sie schon mal ein Viertelstündchen allein lassen. Heute war sie aber echt frech, ging in den zweiten Stock hinauf, ignorierte Binkis Fauchen und Knurren, und dann, als Binki sich in den dritten Stock verzog, wohl nach dem Motto: die Klügere gibt nach, ging Cora ihr sogar dahin nach! Binki blieb als letztes Fleckchen Rückzugsgebiet dann nur noch eine der dicken Pfetten (horizontale Dachbalken aus Leimholz). Sie fauchte ganz fürchterlich auf dem Balken, Thomas fischte dann Cora vom dritten Stockwerk herunter um den Frieden wiederherzustellen. Ob die junge Mutter wohl irgendeinen besonderen Schutz genießt, dass Binki sich nicht richtig verteidigt? Das ist merkwürdig, denn Tinas Vorrangstellung gilt für Cora nach wie vor. Hoffentlich geht nächstes Wochenende alles schon etwas normaler ab, denn da sind Angelika und ich nicht da und die Katzen müssen viele Stunden alleine zurechtkommen. Nicht dass Dani vor lauter Katzenhüten nicht zum Arbeiten kommt...

8. April 2003

Heute hatte Binki einen besonders guten Vormittag. Sie fraß etwas Trockenfutter, und ein Döschen, das von gestern war schon weg. Sie spielte schon gestern abend intensiv mit dem Laserpunkt, auch heute wieder. Und in der Kiste war ein vergrabenes großes Geschäft und zwei kleine. Die neue Katzenstreu kommt gut an. (Ich kann mich noch gut erinnern, wie mir damals vor vielen Jahren mein konsumterroristischer Sohn in glühendensten Farben von den Vorzügen dieser genialen Katzenstreu vorschwärmte, die nebenbei natürlich die absolut teuerste ist, bis ich mich endlich dazu breitschlagen ließ, und ich habe es nie bereut... sie ist wirklich besser.)

Dann machte ich die Beobachtung, dass Binki viel größer (länger und höher) aussieht, wenn sie sich gut fühlt. Zuerst war der Größenunterschied zu Tina, die zwar die Königin ist, aber ziemlich klein, etwas enttäuschend. In Kärnten wirkte Binki immer so besonders groß. Aber heute morgen empfand ich sie als wirklich große Katze.

Dann kam Tina herauf in den zweiten Stock und durfte einige Meter herumgehen, bevor Binki den ersten Faucher losließ. Und der war nur leise. Tina, die Erhabene, drehte sich langsam um und ging wieder hinunter. Als ich mir später etwas zu trinken holte, sah ich sie im Wintergarten liegen, und sie schien mir etwas traurig dreinzuschauen. Da setzte ich mich eine halbe Stunde zu ihr. Sicher hatte sie mich oben nur besuchen wollen, sich zu mir setzen - und durfte nicht. Na, nach dieser gemeinsamen Frühstückspause war sie wieder zufrieden.

Am Abend gab es noch ein ausführliches Knurr- und Singduell zwischen Cuja und Binki. Weder Angelikas noch mein Schimpfen halfen irgendwas. Doch dann, als es uns echt zu bunt wurde, haben wir selber in ihrem Tonfall zu singen angefangen. Schlagartig war Ruhe. Lustig.

15. April 2003

Gestern sind mehrmals Cuja oder Tina relativ dicht an Binki vorbeigegangen, im zweiten Stockwerk, ohne dass es Geknurre gegeben hätte. Am Abend saßen Angelika und ich auf der Couch, und ließen Binki den Laserpunkt fangen. Man sah ihr deutlich an, dass sie sich wohlfühlte. Als sie genug davon hatte, lud ich sie ein sich neben mich auf die Couch zu setzen, und sie sprang tatsächlich herauf und ließ sich ausführlich kraulen, am liebsten am Kopf oben in der Mitte zwischen den Ohren, und seitlich unter den Ohren. Ich sprach mit Angelika darüber, ob sie sich wohl hinlegen würde, und sagte zu Binki: „Komm, kannst dich ruhig hinlegen, sei nicht so eigen, im Grunde gefällt es dir doch bei uns, oder?“ Und da legte sie sich hin! Ich glaube sie versteht jedes Wort. Wenn sie will.

Auch frisst sie jetzt erheblich mehr, immer noch etwas wenig für ihre Größe, aber man spürt schon die Knochen nicht mehr gar so deutlich und das Katzenklo ist viel öfter zu leeren...

Jetzt muss ich sie wieder sekkieren, denn ich muss dringend staubsaugen, überall kleben ihre Haarbüschel, sie kriegt schon Sommerfell. Sie hat auch zwei neue Schlafplätze entdeckt, nämlich Angelikas und meinen Computerstuhl, das sind gepolsterte Drehstühle, jetzt voller Binkihaare. Vorgestern habe ich ihr die Fensterbank gezeigt, seither sitzt sie auch oft am Fenster und schaut interessiert hinaus, Gärten, Vögel, Bäume, Nistkästen, Hummeln, es gibt ja so vieles zu bestaunen draußen. (Ich sitze im Ofensessel, das Notebook auf den Beinen, Tina liegt halb auf meinem Schoß, halb auf meinen Händen, was beim Schreiben sehr hilft, ich muss gleichzeitig mit allen Fingern nach oben gegenhalten und nach unten tippen, danke Tina. Dabei schläft sie bestens, die kanadische Waldkatze, Königin aller Katzen!)

Die „Kleinen“ Mango und Keith unten sind jetzt schon ziemlich groß geworden. Aber immer noch so süß. Und Cora, die junge Mutter, kümmert sich bestens um sie. Manchmal geht Cora kurz spazieren, wenn sie gerade jemand hereinlässt auch zu uns herauf. Wenn ich dann vergesse sie nach ein paar Minuten wieder hinauszulassen, macht sie sich durch lautes Miauen bemerkbar, schließlich muss sie doch wieder zu ihren Kindern, schauen dass alles in Ordnung ist oder füttern.

20. April 2003

Am Stillen Samstag kam Cardhu zu Besuch, wie schon die ganze Karwoche, denn Ilse war verreist und die Polen ebenfalls. Diesmal entdeckte er Binki, die auf halber Höhe der Holzstiege saß und herunterschaute, vielleicht auch knurrte. Cardhu schaute mit einem sehr seltsamen Blick hinauf. Ganz starr, ganz fasziniert war er von der edlen langhaarigen silbergrauen Schönen. Und neugierig. Ganz langsam, durch und durch angespannt, setzte er eine Pfote auf die erste Stufe, dann die zweite. Wartete ab, was passieren würde. Wie konnte da eine fremde Katze sein in diesem Haus, in dem er doch geboren war und das er immer noch zu seinem Reich zählte, wenn er auch meist keine Zeit hatte sich um die Ruinenprovinz zu kümmern. Wie konnte seine strenge Mutter diese fremde hier dulden? Und wenn, dann musste er sie doch kennen lernen. Also ganz auf die nächste Stufe, aber langsam, nichts überstürzen. Binki regte sich nicht. Cardhu erklomm die dritte Stufe. Binki knurrte wieder, stieg seitlich eine Stufe höher. Cardhu nahm die fünfte, nach ein paar Minuten die sechste und die siebte Stufe und saß also da, wo Binki zuerst gesessen hatte. Er schnüffelte an der Stufe herum. Binki war nun schon auf der zweitobersten Stufe. Dann konnte ich sie nicht mehr sehen. Cardhu folgte bis zu derselben Stufe. Ich hörte nichts.

Da Cardhu die verständliche, aber lästige Unart aller Kater hat, sein (echtes oder vermeintliches) Revier zu markieren, ging ich ihm nach. Er saß noch immer auf derselben Stufe, Binki hatte sich keineswegs in den dritten Stock zurückgezogen, wie ich erwartet hatte, sondern lag auf Angelikas Computerstuhl, nur einen Meter von Cardhu entfernt. Leider fühlte sich Cardhu von mir gestört und ging wieder nach unten, und ich ließ ihn hinaus.

Abends sollte es Straußensteaks geben. Als Angelika anfing das Fleisch vorzubereiten, war klar, dass die Katzen sich bald im Halbkreis um sie versammeln würden, das machen sie immer, denn da müssen doch logischerweise ein paar Brocken für die armen verhungerten Kätzchen abfallen, nicht wahr, und wenn es ein paar viele Brocken werden, um so besser. Cuja saß in Pole-Position auf dem Stuhl vom Esstisch, der Angelika am nächsten war, Tina am Boden. Cora war unten. Dani saß am Tisch und nähte etwas.

RUMMS!

Ein großes graues Wollknäuel lag auf dem Tisch. Ach nein, die Binki war von der Holzstiege durchs Geländer direkt auf den Esstisch gesprungen. Stark, das hatte sich sonst noch keine getraut. Wir schauten alle groß und Angelika erwog schon, ihren Mut mit einem Fleischbrocken zu belohnen, da - WUSCH - war sie eben so kraftvoll elegant wie akrobatisch perfekt wieder vom Tisch hinaufgesprungen auf das obere Drittel der Holzstiege, präzise durch die schmale Lücke zwischen zwei Streben des Geländers! Wirklich eine reife Leistung. (Needless to say bekam sie dann ein Schälchen mit Straußenfleisch hinaufgebracht. Ebenso selbstverständlich, dass davon nichts übrigblieb, nicht der kleinste Krümel, genausowenig wie von der vollen Schüssel mit Lachsforellenfilet am Karfreitag Abend. Nur vom Dosenfutter bleibt häufig was übrig... Wie hieß es doch letzte Woche im literarischen Katzenkalender: „Eine Katze würde niemals Whiskas kaufen. Niemals.“)

Heute, am Ostersonntag, war es zum ersten Mal heuer so warm, dass wir gegen Mittag draußen „frühstücken“ konnten. Ich beschloss, die Katzentüre aufzuschrauben. Zum einen war es schon dringend Zeit, unseren Katzendamen wieder die normale Freiheit zu verschaffen, jederzeit aus- und eingehen zu können. Andererseits traut sich Binki ohnehin nicht in den Wintergarten, und wenn, auch gut, es wird langsam Zeit, dass auch sie sich anpasst, an die Sitten in unserem Haus. Anders gesagt, unsere Angst, dass sie abhauen und nicht mehr zurückkommen würde, ist klein geworden.

Die kleinen Katzenbabies sind nun gar nicht mehr sooo klein. Auf meinen Wunsch haben Thomas und Dani sie heute mal hinaus in die Sonne getragen und so bessere Bilder und Filmchen von ihnen machen können, drinnen ist es doch sehr dunkel. Sie sind so drollig und so putzig. - Cora war das weniger recht. Nach einer Viertelstunde packte sie ihren Sohn im Genick (die von mir so bewunderte Tragstarre) und schleppte ihn ins Zimmer zurück. Dann fiel sie erschöpft um und musste einige Minuten ausrasten. Wir brachten ihr die Mango dann nach, um ihr weiteren Stress zu ersparen.

21. April 2003

Heute abend, es war noch nicht ganz dunkel, und wir saßen zu neunt beim Ostermontagsfestessen, ging Binki in den Wintergarten und dann ganz hinaus!

Rahmen8

Große Aufregung, vor allem bei uns. Ich ging ihr dann nach, die Steintreppe hinunter durch den Vorgarten.

Rahmen9


Sie wirkte ruhig, aber interessiert. Ich sprach mit ihr, redete ihr zu wieder hereinzukommen. Ganz plötzlich entschloss sie sich dazu, und rannte auf die Treppe zu, da kam ihr Cuja entgegen. Ich fürchtete Binki würde nun in den Garten abbiegen, aber Binki fauchte Cuja im vollen Lauf so heftig an, dass diese ganz verblüfft dreinschaute und keine Zeit mehr für eine Antwort fand. Binki war schon längst vorbeigerast und hinauf durch die große Wintergartentüre, und auch gleich in den zweiten Stock hinauf. Schade dass ich die Wintergartentüre offengelassen hatte, mir wäre es lieber gewesen, wenn sie die Katzentüre hätte benutzen müssen. Damit sie sich gleich daran gewöhnt und weiß, wie sie wieder heimkommen kann, wenn keiner von uns da ist.

Jetzt ist es schon sehr spät, ich sitze beim Ofen und schreibe dieses Katzentagebuch. Gerade eben ist Binki wieder hinaus durch die äußere Katzentüre. Hoffentlich kommt sie wieder zurück!

22. April 2003

Schlechte Nacht! Habe noch lange draußen in allen Richtungen nach Binki gesucht, gerufen, das übliche „ps-psss“ gemacht, vergeblich, keine Binki nirgendwo nicht. Angelika und ich waren dann doch ziemlich daneben. Sollten wir sie doch zu früh rausgelassen haben? War nun alles umsonst?

Wir schliefen wieder unten im Erdgeschoss, die Feiertage waren um, der nächste Arbeitstag stand bevor, dann ist uns das untere Schlafzimmer lieber, wo Angelika sich in Ruhe was zum Anziehen suchen kann. Außerdem ist es unten kühler.

Heute morgen ging ich wie immer mit hinauf, Angelika einen guten Ruinenkaffee zu machen. Kaum ging ich durch die Wintergartentüre, hörte ich ein vertrautes Rumpeln im zweiten Stock. So hört es sich an, wenn eine Katze, ohne auf die Eleganz zu achten, von Fensterbank, Tisch oder Stuhl auf den Holzboden springt. Hatte sich nun Cuja schon wieder oben breit gemacht? War die edle Graue so schnell vergessen und verdrängt? Oder sollte doch Binki ...?

Schnell ging ich nachschauen: Tatsächlich, Binki war da! Ganz unschuldig schaute sie her, ganz als ob alles in Ordnung wäre, so ein Biest. Hatten wir uns ganz umsonst aufgeregt (mal wieder).

Appetit hatte sie auch, also war der nächliche Ausflug anstrengend und anregend gewesen. Im Grunde glaube ich, dass das Hinauskommen an die frische Luft für die Katzen mindestens ebenso wichtig ist wie für Menschen, Hunde und andere Viecher. Nicht nur für die Lungen, auch für die Verdauung und überhaupt fürs ganze Wohlbefinden. Natürlich lauern draußen auch eine Menge Gefahren, wer seine Wohnung nie verlässt, der wird sicher auch nie von einem Auto überfahren werden: aber dieses Risiko ist die Freiheit schon wert, denke ich.

Als ich später in Thomas' Zimmer schaute, fand ich nur eine der kleinen Katzen vor: die Mango, die wir auch „Fledermauskatze“ nennen, weil sie beim Laufen ständig kleine Piepser ausstößt, so als ob sie diese zur Orientierung benötige. Ich setzte mich eine Zeitlang zu ihr, sie war recht munter und kraxelte auf mir herum. Das spürt man schon, wenn sie mit ihren nadelscharfen Krallen versucht, am Bein hochzuklettern. Von ihrem Brüderlein war nichts zu sehen und nichts zu hören. Später kam dann Cora herein und legte sich in der Mitte des Raumes auf den Teppich, ohne irgendwelche Ambitionen sich um ihre Mutterpflichten zu kümmern. Keith tauchte nicht auf.

Jetzt ist Nachmittag, ich sitze hinter dem Haus im „kleinen Garten“ unter dem Sonnenschirm, denn es tröpfelt ein bisschen und ich möchte die angebliche Spritzwasserfestigkeit meines X5 Notebooks doch lieber nicht auf die Probe stellen. Außerdem ist der Bildschirm unter dem relativ dunklen „Schattenschirm“ besser lesbar. Tina liegt neben mir, glücklich dass sie (ohne Belästigung durch die große Graue) dicht bei mir sein kann. Dani kam gerade vorbei und erzählte, dass sie lange nach Keith gesucht habe, und wo sie ihn schließlich fand. Das ist nicht das erste Mal, irgendwie hat er ein Talent sich eine versteckte „Höhle“ zum Schlafen zu suchen.

24. April 2003

Die letzten Nächte ging Binki ausführlich aus.

Heute vormittag bei schönstem Sonnenschein habe ich aber zweimal mitbekommen, wie sie von draußen hereingekommen ist, mit einem kleinen prophylaktischen Knurrer für den Fall, dass eine andere Katze in der Nähe wäre, und mit ziemlichem Tempo. Also muss sie wohl vorher auch hinausgegangen sein... Aber das habe ich nicht beobachten können. Vielleicht das nächste Mal.

Auch ungewöhnlich heute: Zum morgendlichen Nachschlafen kam Tina zu mir ins Bett, also auch ins Schlafzimmer, durch die untern Katzentüren und den Flur im Erdgeschoss. Das mag sie gar nicht und es ist sicher mehr als ein Jahr her, dass sie sich zuletzt dazu aufraffen konnte.

Dani hat an Ostern, wie oben unter „20. April“ berichtet, kleine Videos von den Katzenbabies und Cora gemacht. Drei solche Schnipsel im Quicktime-Format gibt es hier anzuschauen:

Heute waren die beiden Kleinen wieder sehr aufgekratzt. Sie sind jetzt so drollig, ich kann mich nach einem Besuch in Thomas' Zimmer immer nur schwer losreißen.

30. April 2003

Rahmen10

Seit ein paar Tagen traut sich Binki auch tagsüber raus, zumindest bis in den Vorgarten. Dass es dabei regelmäßig zu lautstarken Zusammenstößen mit den anderen Katzen kommt, hält sie nicht ab. Durch ihre Abenteuer draußen hat ihr Appetit deutlich zugenommen. Und sie sieht sehr gesund und oft auch glücklich aus.

Rahmen11


Die kleinen hüpfen jetzt schon herum wie Häschen und man muss aufpassen, dass man sie nicht zusammentritt, denn sie schießen mit einem mörderischen Tempo durchs Zimmer oder auch im Flur herum. Zudem fressen sie jetzt schon ein bisschen Baby-Trockenfutter, und machen (teilweise) brav in die Kiste.

Es ist immer eine Freude, ihnen bei ihrem unbeschwerten in-den-Tag-hinein-leben zuzuschauen.

4. Mai 2003

Die kleinen Kätzchen dürfen nun schon öfter mal raus vors Haus. Jetzt ist es schon dunkel und ich sitze auf der großen blauen Bank im Vorgarten. Die beiden Kleinen düsen herum, springen mit ausgefahrenen Krallen auf meine Beine, wenn ich sie dann erwischen will, sind sie schnell wie der Blitz wieder weg. Cora ist teilweise im Stress und in Sorge um ihre Jungen, dann ist es ihr aber oft auch wieder ganz egal.

Heute vormittag waren wir mal in heller Aufregung, weil Keith für eine Stunde nicht mehr aufzufinden war. Nicht in unserem Garten, nicht in Nachbars Garten, nicht auf den Wegen. Schließlich stellte sich heraus, dass er die ganze Zeit im Zimmer gewesen, wie üblich unter Polstern vergraben, und vermutlich gut geschlafen hat.

Jetzt gibt es gleich was zu Essen, herrlich, das erste Abendessen draußen diesjahr, bei Fackellicht.

15. Mai 2003

Die kleinen Katzen werden immer größer. Sind schon deutlich mehr als halb so groß wie ihre Mama. Seit heute gehen sie durch die äußere Katzentüre im Erdgeschoss, obwohl diese ja ziemlich schwer aufgeht. Auch im Schlafzimmer waren sie schon unterwegs, vorgestern sogar im Eingangsbereich des Wintergartens. Cuja war entsetzt! Das kleine Gfraster nun schon hier!

Dafür hat Cuja letztes Wochenende durchgesetzt, dass sie ein paar Stunden zu uns ins Bett im zweiten Stock durfte, ohne dass Binki durchgedreht hätte. Auch ein kurzer Rundgang oben gehört für Cuja jetzt schon zum Alltag. Binki mag das nicht, lässt es aber meist durchgehen. Sie ist ja so edel und über derlei Grenzverletzungen halbwegs erhaben.

Rahmen15

Hinaus geht Binki die letzten Tage kaum, nicht nur weil es derzeit viel nass ist draußen, auch vorher wie es noch so heiß war zog sie ihren Platz im sicheren zweiten Stock vor. Vielleicht sammelt sie Kräfte für den Tag, an dem sie dann ganz groß rauskommt...

Rahmen14

21. Mai 2003

Seit mindestens schon einer Woche geht Binki nun gar nicht mehr hinaus. Das tut uns leid für sie, aber warum schaut sie nur sehnsüchtig aus dem Fenster statt sich aufzumachen in die freie Natur? Sicher, Cuja macht immer Theater wenn Binki an ihr vorbei muss, aber das ist ja kein echtes Hindernis, wie die Zeit vorher bewiesen hat.

Andererseits hat sie sich vorgestern mit Nachdruck etwas zum Naschen erbettelt, beim abendlichen Kochen. Wieder einmal sprang sie durch das Stiegengeländer auf den Esstisch. Diesmal aber von da auf den Boden ganz dicht zu Angelika, die das Fleisch für das große Tortilla-Essen schnitt. Klar dass da etwas für Binki abfiel. Dann düste sie wieder hinauf über die Holzstiege. Dasselbe wiederholte sie noch zweimal. Gestern abend legte sie sich auf Angelikas Beine, als wir uns noch spät nach der Heimfahrt aus Kärnten auf der Couch den Abendwhisky genehmigten. Binki nahm die gleiche Pose ein wie wenn sie damals auf Floras Beinen Fernsehen mitschaute. Nur haben wir keinen Fernseher... egal, darauf kommt es wohl weniger an.

Die beiden kleinen Katzen werden größer – und nun entwickeln sie auch schlimme Seiten: Sie fangen an, unter das Bett zu machen statt in ihre Kiste. Pfui. - Ansonsten sind sie aber lieb und süß wie eh und je.

Durch die etwas schwergängige Katzentüre im Erdgeschoss springen sie jetzt mit Anlauf. Das ist Action. Da ist was los. Die „Kinder“ werden nachts oft im Schlaf gestört. Denn der Schlafrythmus von Katzen und Menschen ist doch wenig kompatibel...

2. Juni 2003

Rahmen3

Letzte Woche fing Binki wieder an, sich für den unteren Stock und den Garten zu interessieren. Sehr zaghaft und sehr vorsichtig. Seit ein paar Tagen geht sie aber gar nicht mehr so vorsichtig, eher schon ein bisschen selbstbewusst, in den ersten Stock hinunter, vor allem dann, wenn Angelika kocht (oder wenn ich Fisch brate...). An Cuja und Tina geht sie dabei dicht vorbei und streicht der Köchin um die Beine, damit diese nur ja merke, dass ein Leckerbissen fällig sei.

Cuja hat eine neue Strategie: sie versucht es auf freundlich. Hat sie bisher Binki bei Unterschreitung des Mindestabstandes von 5 Metern sofort angefaucht und geknurrt, so schlägt sie jetzt andere Töne an, hohe Jauler oder Quietscher, hört sich eher wie nette Plauderei zwischen Katzendamen an als nach Streit und Zank. Binki weiß wohl noch nicht so richtig, wie sie das einordnen soll und zieht es derzeit vor, nicht zu antworten.

Rahmen12

Weniger Freude macht uns Tinas Reaktion: Nach wie vor geht sie der Binki nach Möglichkeit, wenn auch langsam und würdevoll, aus dem Weg. Solange Binki im zweiten Stock blieb, führte das zu der schönen Aufteilung: Binki residiert oben, Tina regiert im ersten Stock. Nun, da Binki auch im ersten Stock sich ausbreitet und wohlzufühlen beginnt, bleibt Tina nur der Garten oder weiter weg zu gehen. Das wollen wir natürlich nicht. Mit allerlei Extraschmuseeinheiten und Extraleckerbissen versuchen wir ihr das Gefühl zurückzugeben, hier die Nummer eins zu sein.

Rahmen13

Verschärft wird die Situation durch die beiden Kleinen Keith und Mango, die Tag und Nacht im Garten umhertollen, ab und zu zum Fressen ins Erdgeschoss gehen, und seit wenigen Tagen auch ein größeres Interesse für den oberen Teil der Ruine entwickeln. Vor den älteren Katzen haben sie absolut keinen Respekt, nicht mal vor der Königin der Katzen, so dass Tina zwischen zwei Fronten kämpfen muss, nein müsste, denn sie kämpft ja eben nicht, das ist unter ihrer Würde: Weniger gefährliche Gegner als Marder bekommen von der Vornehmen höchstens mal einen dezenten Faucher oder ein rein symbolisches Heben der Tatze. Zuschlagen tut sie fast nie, ist auch nicht nötig. Einzig Cuja muss manchmal eine mitnehmen, wenn sie Tina mal wieder zu sehr in Rage gebracht hat, was aber nur selten vorkommt. - Nun aber die Kleinen: denen ist alles symbolische vollkommen egal, und fauchen und knurren lässt sie kalt. Leider noch ein Grund für Tina, woanders hinzugehen.

Einer der vier Söhne von Tina ist Cardhu, der eigentlich ja uns gehört, soweit einem eine Katze überhaupt gehören kann. Aber er wohnt seit Jahren bei dem polnischen Ehepaar unten im Nachbarhaus. Manchmal kommt er zu uns zu Besuch, begrüßt dann auch seine Mama, aber Tina hat das nicht so gerne, und wenn er nach dem Begrüßungsbussi nicht schnell genug wieder auf Abstand geht, hebt sie die Pfote gegen ihn, rein symbolisch, aber es wirkt fatal. Cardhu schaut dann ganz traurig, hätte doch gerne ein bisschen mit seiner Mama geschmust. Prinzenschicksal.

Heute war ein großes Geschrei in den Eschen im Garten. Ich ging mir das anschauen. Was war da los? Jede Menge Vögel hüpften in den Bäumen herum, sehr aufgeregt und laut schimpftend. So weit ich das durch das grüne Blattwerk erkennen konnte, hauptsächlich Meisen, aber auch andere Vögel. Mitten im größeren Baum gibt es noch die alte Plattform des längst abgebauten Baumhauses, welches in dem Computerspiel Alurwe eine wichtige Rolle spielt. Auf dieser Plattform, unter dem leuchtend grünen frischen Blätterkleid, von einzelnen Sonnenstrahlen umschmeichelt, lag Cardhu, wieder einmal. Denn das ist einer seiner Lieblingsplätze. Heute aber war keine Ruhe: Die Vögel schwirrten laut piepsend, pfeifend, trällernd oft weniger als einen Meter an seinen guten Ohren vorbei. So ein Wirbel. Und Cardhu?

Er schlief! Tief und fest offensichtlich. Nicht mal mit dem Ohr wackelte er. Mitten in dem ganzen Lärm.

Ich hatte vorher die Post aus unserem Briefkasten genommen. Nun raschelte ich einmal unabsichtlich mit dem Papier, es war nur ein ganz kurzes leises Geräusch. Sofort war Cardhus Kopf in der Höhe, er schaute mich mit großen Augen an. „Ach so, du bist das, mach nicht so einen Krawall am frühen Morgen!“ sagte er, gähnte und rollte sich wieder ein. Keinen einzigen Blick gönnte er mehr mir oder dem Vogelzirkus.

Nach ein paar Minuten verzogen sich die Vögel und es wurde stiller. Dann verzog ich mich auch.

===

In der Ruine kam ich gerade zurecht, zu sehen, wie eine der Kleinen das Futter von Cuja auffraß. Cuja ging zufällig vorbei und protestierte nicht einmal.

Vielleicht gewöhnen sie sich ja doch einmal alle aneinander und können friedlich nebeneinander leben?

Rahmen2

Rahmen1

Die kleinen Katzen leben jetzt zum großen Teil im unteren Garten. Da tollen sie herum, raufen miteinander oder mit ihrer Mama Cora, klettern auf die Bäume, ruinieren die Blumen, und an den besonders gemütlichen Stellen schlafen sie auch.

Rahmen17

Nur nachts holt Cora die beiden zumeist ins Haus, jedenfalls wenn es regnet.

15. Juni 2003

Es gibt allerlei Neues. Es war schon auffällig, dieses Jahr bekamen wir fast gar keine lebenden oder toten Mäuse oder Vögel serviert von unseren sonst so fürsorglichen Katzen. Letztes Wochenende dann doch: Cora brachte kurz hintereinander einen Vogel (tot) und dann eine Wasserratte, auch tot.

Trotzdem ist das wenig, im Vergleich zu den Mengen an Beutetieren wie sie Tina als junge Mama ihren vier Söhnen zu bringen pflegte.

Cuja hat seit ein paar Tagen eine neue Strategie eingeführt. Sie versucht es jetzt mit Freundlichkeit. Sowohl zu Binki, als auch – seltener – zu den Kleinen. Auch Binki ist teilweise direkt umgänglich und lässt Cuja oder Tina ohne Knurren in ihre Nähe. Andererseits glaubt sie mittlerweile, auch der erste Stock der Ruine sei der ihre. Wir haben sie bereits dabei beobachtet, wie sie in die Kiste im Wintergarten gemacht hat, und wenn Angelika kocht kommt sie regelmäßig herunter, wenn auch meist den (für sie) sicheren Weg per Sprung von der Stiege direkt auf den Tisch. Ein paarmal hat sie sogar schon Katzenfutter im ersten Stock auf dem Fußboden eingenommen. Das ist alles zunächst sehr positiv, richtige Schritte in Richtung Normalisierung.

Andererseits ist immer die Frage, wie Tina das aufnimmt. Nach Möglichkeit geht sie Binki aus dem Weg. Wenn aber Binki jetzt außer im 2. auch im 1. Stock unterwegs ist, wo bleibt dann Tina? Nun, sie geht in den Garten. Selbst bei Gewittersturm und Regen schläft sie oft draußen. Nur ist das noch nichts wirklich ungewöhnliches, denn wenn es heiß ist wie die letzten Wochen war sie immer hauptsächlich draußen, tagsüber und nachts.

Wenn Tina andererseits wirklich hinein will, weil es etwa was zu naschen gibt, weil sie hungrig ist, oder weil es ihr dann doch einmal zu nass wurde draußen, dann geht sie auch hinein. Dann geht entweder Binki einen halben oder ganzen Stock höher, oder sie vertragen sich einigermaßen im ersten Stock.

Wenn dann Tina genug hat davon, die Binki im Auge zu behalten, und das ganze für sie zu ungemütlich wird, dann fängt sie oft aus heiterem Himmel an, die Cuja zu jagen, mit voller Action über Sofas und unter Stühlen durch, dass die Fetzen fliegen. Ja ja, die Cuja, die neuerdings friedliche Katzentante, muss es dann ausbaden, dass die Königin grantig ist...

11. Juli 2003

Die letzten drei Wochen entwickelte sich unsere Tier&Mensch-Hausgemeinschaft langsam weiter in Richtung Normalität. Binki geht manchmal für viele Stunden hinaus, wahrscheinlich in die nördlichen Nachbargärten. Aber sie kommt zuverlässig zurück. Die kleinen Mistviecher Keith und Mango sind sehr frech und haben den zweiten Stock entdeckt. Leider fühlt sich Binki nach wie vor sehr gestört von den beiden Jungen, frisst nichts wenn die im selben Stock sind. Die Kleinen fangen, um sie dann hinauszuschmeißen, ist aber sehr schwierig, denn die sind sehr schnell und weichen dann geschickt aus...

Seit zwei Wochen ist auch Bauxi, Danis Hund, in der Ruine zu Gast. Die Cora und ihre Kinder lieben Bauxi sehr, sprich, sie lieben es ihn zu ärgern, ihm auf der Nase herumzutanzen, ihm die Leckerbissen wegzuschnappen, ihn zum Bellen zu provozieren. Tina liebt den Hund nicht, läßt sich aber von ihm nicht von ihrem normalen Lebensrhytmus „drinnen-fressen/spazierengehen/draußen-schlafen“ abbringen. So gut es eben geht, ignoriert sie den Hund. Cuja geht ihm konsequent aus dem Weg, und achtet darauf ihm auf keinen Fall zu nahe zu kommen. Binki fürchtet sich vor den kleinen Katzen, aber nicht vor dem Hund. Wir nehmen an, dass sie den gelegentlichen Besuch von Hunden von der Zeit in Kärnten bei Flora gewohnt ist.

Also kann ich sagen, insgesamt geht es auch mit Hund ziemlich harmonisch zu in der Ruine. Abends essen wir meist draußen, das trägt auch zum entspannteren Nebeneinander der vielen Viecher bei.

Letzte Woche hatte wir für ein paar Tage lieben Besuch aus dem Norden. Ich habe die Gäste in unserem Schlafzimmer einquartiert, denn das Gästebett im zweiten Stock ist derzeit kaum zumutbar für Leute, die unsere Katzen nicht so innig lieben wie wir: immer wieder kommt es nachts zu Zusammenstößen zwischen Binki und Cuja oder den Kleinen, oft genau unter dem Bett, mit einem oder mehreren lauten Schreien, Gerenne und Prügeleien, man würde es kaum glauben was Katzen für einen Lärm machen können. Angelika und mich stört das auch, aber wir können sicher besser damit umgehen als jemand, der nur zu Besuch da ist.

21. Juli 2003

Noch immer ist Bauxi, der Zwergpudel, bei uns zu Besuch. Die Katzen haben sich weitgehend an ihn gewöhnt. Ausgerechnet Binki hat von den älteren Katzen wohl am wenigsten Probleme mit ihm. Dafür kann sie die beiden „Kleinen“, die schon fast so groß sind wir ihre Mutter Cora, noch immer nicht ausstehen und knurrt und faucht sie an, wenn immer sie in Reichweite kommen. Das alleine wäre ja nicht schlimm. Aber sie frisst auch nicht, wenn eine der Kleinen sich auch nur im selben Stockwerk aufhält. Also muss man zum Füttern immer einen Moment abwarten, wo Binki mehr oder weniger allein im Haus ist. Das können wir aber unseren Katzensittern, die ja während unseres Urlaubs mit den Biestern fertig werden müssen, kaum zumuten. Ich versuche daher, Binki immer öfter im ersten Stock zu füttern, und ihr die Scheu vor den anderen so gut es geht abzugewöhnen, aber die Erfolge sind noch klein. Außerdem hat sie Tage, an denen sie ohnehin fast gar nichts frisst, auch wenn sie alleine ist. Wie das kommt, wissen wir nicht. Angelika meinte, das wäre vielleicht ein Zeichen, dass sie zuviel Haare im Magen hat.

Sonst gibt es wenig Neues, außer dass es viel zu heiß ist...

31. Juli 2003

Kummer, Sorge, Verzweiflung, Trost

Letzte Woche waren wir vier Tage in Graz, Mittwoch Nachmittag bis Samstag abends. Die Pflege der Katzen konnte Tobias übernehmen, der einen Tag früher gerade rechtzeitig aus Italien zurückgekommen war.

Als wir am Samstag nach einer interessanten Burgbesichtigung, später als geplant, erst am Abend heimkamen, berichtete uns Tobias, dass er Binki an diesem Tag noch nicht gesehen habe. Das war nun nicht der Grund für große Besorgnis, blieb doch Binki die letzte Zeit öfter mal einen Tag oder auch über Nacht aus.

Aber auch am Sonntag, dann Montag, Dienstag, Mittwoch: keine Binki.

Schreckliche Gedanken ziehen durch den Kopf.

Ist ihr was passiert? Aber was?

Überfahren? Aber sie ist doch so vorsichtig.

Entführt? Aber sie lässt sich ja von uns kaum mal hochheben, geschweige denn tragen, von Fremden kaum anschauen, geschweige denn anfassen.

Absichtlich weggelaufen? Aber warum? Sie hat sich doch so schön eingelebt. Schien so zufrieden zuletzt.

Versehentlich eingesperrt worden? Das kann vorkommen. Eine kleine Hoffnung, dass sie dann bald wieder auftaucht, hungrig, ungepflegt, aber glücklich... leider nur ein Wunschtraum.

Viele Katzen sind uns schon abhanden gekommen, leider, wir werden es auch diesmal überleben, aber schön ist das nicht. War es auch bei den anderen nicht: Mikosch, Fully, Fiddy, Rapunzel, Grisi, und, noch nicht so lange her, Farclas, der Bruder von Cora.

===

Heute war endlich Termin bei der Tierärztin. Die Cora und ihre Kinder Keith und Mango sollten sterilisiert werden. Schon gestern war unser Schlafzimmer als Katzenschutzhaftzelle umfunktioniert worden, und alle Familienmitglieder hatten den Auftrag, Cora sofort zu inhaftieren, sobald sie auftauche.

Fehlanzeige, sie kam erst gar nicht, gestern nicht und in der Nacht auch nicht. Jetzt haben Dani und Thomas nur die beiden Jungen mitnehmen können. Cora hat das wohl gespürt, was da geplant war, und sich beizeiten versteckt.

Natürlich könnte es auch sein, dass sie nun auch ganz weg bleibt, wie Binki, aber damit rechnet hier noch keiner, denn sie hat sich die letzte Zeit ohnehin recht rar gemacht, es kann auch sein dass sie längst wieder schwanger ist. Dann ist allerdings anzunehmen, dass sie ihren nächsten Wurf woanders zur Welt bringt, denn sie wird spüren, dass es hier bei uns schon zu voll ist, bzw. sie wird ihre älteren Kinder als Gefahr sehen.

Eine nicht ganz unkomplizierte Situation, trotzdem geht mir das bei weitem nicht so zu Herzen, wie dass Binki nicht mehr da ist... ich habe mir so viel Mühe gegeben, ihr den Wechsel von Kärnten und von Flora zu uns so gut wie möglich zu erleichtern, und es hat ja auch nach einigen Wochen so gelungen gewirkt, vorige Woche hat Binki Spielphasen wie ein Katzenjunges gehabt, sie spielte mit Verpackungsmaterial, sprang in die Luft und tollte herum, sie sah wirklich gar nicht unglücklich aus. Und dank des warmen schönen Wetters war es auch leicht für alle Katzen, sich aus dem Weg zu gehen, sich nicht zu eng auf der Pelle zu hocken, der Garten bietet so viele Extraecken, Schlafstellen und Verstecke.

Und doch, sie ist weg... :-(

Heute habe ich „wir vermissen unsere Katze“-Plakate im Viertel aufgehängt. Versprech mir nichts davon, aber einen Versuch ist es wert. Und im Tierheim werde ich sicherheitshalber anrufen...

Trotzdem ist sie weg. ---

Habe jetzt im Tierheim angerufen, und auch beim lokalen Rundfunk, jetzt kommt Binki sogar ins Radio. Wenn auch nur als Suchmeldung...

Einen kleinen positiven Aspekt gibt es aber auch: Tina und auch Cuja genießen es offensichtlich, die große Graue, um nicht zu sagen die graue Eminenz, los zu sein, breiten sich demonstrativ aus im ganzen Haus: Kaum zu glauben wie dick sich zwei Katzen machen können, in einem Haus in dem vier Monate lang für dreie Platz genug war...