Die Theorie der Wissensentwicklung beruht epistemologisch auf der Unterscheidung zwischen explizitem und implizitem Wissen. Da sich die Theorie mit Organisationen und nicht nur mit Individuen beschäftigt, muß es auch ontologische Unterschiede geben, die durch die Stufen von wissensentwickelnden Einheiten (Individuum, Gruppe, Organisation, Inter-Organisation) erreicht werden.
Innerhalb dieser Dimensionen kann die Wissensentwicklungsspirale stattfinden, die sich durch Interaktion zwischen implizitem und explizitem Wissen dynamisch von einer niedrigen onto-logischen Ebene zu einer höheren ontologischen Ebene bewegt.
Der Kern der Theorie von Nonaka/Takeuchi [NoTa95] liegt in der Beschreibung der Funktions-weise der Spirale. Sie beruht auf den vier Arten der Wissensumwandlung, die den Motor des Wissensentwicklungsprozesses darstellen.
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- Von implizitem zu implizitem Wissen (Sozialisation)
Sozialisation wird als der Prozess bezeichnet, in dem Erfahrungen geteilt und dadurch implizites Wissen wie geteilte mentale Modelle oder technische Fähigkeiten erzeugt werden. Dies kann ohne Verwendung von Sprache durch Imitation, Beobachtung oder Übung erreicht werden.
- Von implizitem zu explizitem Wissen (Artikulation)
Artikulation (oder Externalisierung) ist der Prozess, bei dem implizites Wissen artikuliert und in explizite Konzepte umgewandelt wird. Dieser Prozess kann durch Bilden von Metaphern, Analogien, Konzepten, Hypothesen oder Modellen unterstützt werden. Externalisierung ist der Schlüsselprozess bei der Wissensumwandlung, da neue explizite Konzepte aus implizitem Wissen geschaffen werden.
- Von explizitem zu explizitem Wissen (Kombination)
Kombination ist ein Prozess bei dem Konzepte in ein Wissenssystem eingeordnet, also isolierte Teile zu einem gemeinsamen Ganzen verbunden werden. Individuen tauschen und kombinieren Wissen durch verschiedene Medien wie Dokumente, Treffen, Telephongespräche oder elektronische Kommunikationsnetzwerke. Neues Wissen kann vor allem durch Kombinieren, Hinzufügen, Sortieren oder Kategorisieren entstehen.
- Von explizitem zu implizitem Wissen (Internalisierung)
Internalisierung ist ein Prozess bei dem explizites Wissen zu implizitem Wissen verinnerlicht wird. Es ist stark mit dem Begriff "learning by doing" verbunden. Sobald Erfahrungen durch Sozialisierung, Externalisierung und Kombination in individuelle Wissensbasen durch mentale Modelle oder technisches Know-how internalisiert wird, entsteht Wertvolles.
Um organisationale Wissensentwicklung zu erreichen, muß das Wissen wiederum durch Sozialisation den anderen zugänglich gemacht werden und die Spirale startet wieder von neuem. Damit explizites Wissen implizit gemacht werden kann, genügen oft Dokumentation (z.B. verbalisiert, Diagramme), Beschreibungen oder mündlich berichtete Geschichten.
Diese vier Arten der Wissensentwicklung sind nicht unabhängig voneinander, sondern spielen in einer Spirale zusammen, in der Zeit als eine weitere (dritte) Dimension in Bezug gesetzt werden soll, wodurch organisationale Wissensentwicklung zu einer dynamischen Interaktion zwischen implizitem und explizitem Wissen wird. Die Rolle der Organisation im Sinne der organisationalen Wissensentwicklung besteht im Bereitstellen einer Umgebung, welche die folgenden fünf Kriterien zur Verwirklichung einer Wissensspirale erfüllt: Absicht, Autonomie, Fluktuation, Redundanz und erforderliche Vielfalt.
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Schließlich kann daraus ein 5-Phasen-Konzept für die organisationale Wissensentwicklung mit folgenden Phasen abgeleitet werden:
- Teilen von implizitem Wissen
Implizites Wissen der Mitarbeiter ist die Basis der Wissensentwicklung. Daher beginnt das Phasen-Konzept mit diesem kritischen Prozess. In dieser Phase müssen die individuellen Emotionen, Gefühle und mentalen Modelle geteilt werden, um gegenseitiges Vertrauen aufbauen zu können.
- Konzepte entwickeln
Die intensivste Interaktion zwischen implizitem und explizitem Wissen findet in dieser Phase statt, in der mentale Modelle, sobald sie geteilt wurden, in den Gruppen weiter diskutiert und bis zu Konzepten ausformuliert werden.
- Konzepte rechtfertigen
Da Wissen früher als gerechtfertigter, wahrer Glaube definiert wurde, muss auch Wissen, das von Individuen oder Teams entwickelt wurde, an einer Stelle des Prozesses gerechtfertigt
werden. Dies findet in dieser Phase statt.
- Bilden einer Urform
In dieser Phase werden die gerechtfertigten Konzepte aus dem dritten Schritt in etwas Anfassbares, Konkretes, nämlich in einen Archetypen (Urform) gebracht. Dieser steht für eine Art Modell.
- "Cross-Leveling" von Wissen
Nachdem es sich bei der organisationalen Wissensentwicklung um einen ständigen, sich kontinuierlich verbessernden Prozess handelt, ist er mit der Bildung eines Archetypen nicht abgschlossen, sondern wird in einem neuen Kreislauf auf einer anderen ontologischen Ebene gebracht. D.h. das in Konzepten vorliegende Wissen wird anderen Teams, Organisationseinheiten oder ganzen externen Organisationen zugänglich gemacht.
Demnach existiert einerseits eine Spirale auf epistemologischer Ebene durch die vier Arten der Wissensentwicklung und andererseits eine Spirale auf ontologischer Ebene (von Individuen bis Organisationen bzw. darüber hinaus). Der Transformationsprozess, der innerhalb dieser Spiralen stattfindet, ist der Schlüssel zum Verständnis der Theorie der Wissensentwicklung nach Nonaka.
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Dieses Modell orientiert sich an keinem Managementprozess, sondern beschränkt sich auf das Management des "Zufalls". Es berücksichtigt erforderliche Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Umsetzung durch eine aktive Kontextgestaltung zur Kreativitätsförderung. Der Bezug zu den Unternehmenszielen ist über die ausgeprägte Visionsarbeit (Konzepterstellung, Archetyp) gegeben. Als Instrumentarium zum operativen Wissensmanagement werden Kontextgestaltung und Wissenstransformation angeboten. Das Modell sensibilisiert vor allem für die Wissenserzeugung. |